Militärische und industrielle Hinterlassenschaften der Sowjetunion als kulturelles Erbe im Ostseeraum?
Inhalt
Militärische Hinterlassenschaften stellen hinsichtlich der ideologischen wie ökologischen Belastung ein besonderes Beispiel für das geteilte Erbe dar. Soweit nicht von den jeweiligen nationalen Armeen genutzt, sind sie als Sperrgebiete und durch ihren allmählichen Zerfall markiert. Ähnlich gestaltet sich der Umgang mit industriellen Hinterlassenschaften. Allerdings zeigen Beispiele wie das litauische Atomkraftwerk „Ignalina“, dass sich solche Orte zu Erinnerungsorten und Touristenattraktionen wandeln können. An militärischen und industriellen Hinterlassenschaften lassen sich daher exemplarisch Erbekonstruktionen untersuchen, die auf besondere Weise Aushandlungsprozesse verschiedener Erinnerungskulturen und gesellschaftlicher Akzeptanz und Aneignung offenlegen.
Unter Rückgriff auf Konzepte des Verfalls bzw. „curated decay“ und von Erinnerungskulturen sollen die auf Konservierung ausgelegten Erhaltungsansprüche an Orte und damit auch neue Fragen an Raumkonzeptionen gestellt werden, um der Problematik nachzugehen, was als sinnstiftendes Moment festzuhalten ist – Zerfall, Vergangenheit, Nostalgie und Scheitern oder die zum Teil innovativen und ökonomisch begründeten Aneignungsprozesse solcher Objekte und Landschaften?
Dissertationsprojekt
Das in diesem Arbeitspaket angesiedelte Dissertationsprojekt mit dem Titel „Die Militärischen Hinterlassenschaften der Sowjetunion in Polen: Zeugnisse der Unterdrückung oder erhaltenswertes Kulturerbe?“ hat es sich zum Ziel gesetzt, die in der heutigen Gesellschaft Polens existierenden Erinnerungs- und Erbekultur bezüglich der dortigen sowjetischen Militärhinterlassenschaften sowohl in ihrer gesellschaftlichen als räumlich-materiellen Dimension anhand exemplarisch ausgewählter Objekte zu untersuchen und miteinander in Beziehung zu setzen.
Mit Hilfe von vor Ort befragten Zeitzeugen sowie soziologischer und kulturwissenschaftlicher Konzepte, wie etwa der wissenssoziologischen Diskursanalyse und dem Konzept des kollektiven Gedächtnisses, soll die gesellschaftliche Wahrnehmung, Konzeption und Semantisierung dieser Hinterlassenschaften untersucht werden.
Die räumlich-materielle Dimension, welche die heutige Nutzung, den gegenwärtigen physischen Zustand der Objekte sowie derzeit stattfindende als auch bereits abgeschlossene räumliche Veränderungen diesbezüglich beinhaltet, sollen durch die Auswertung von Satellitenaufnahmen sowie von vor Ort getätigten Foto- und Videoaufnahmen erfasst und dokumentiert werden.