Policy Mobilities im ruralen Ostseeraum

Die wirtschaftsgeographische Forschung beschäftigt sich unter dem Term Policy Mobilities mit der Verbreitung politischer Praktiken. Dabei handelt es sich nicht um die Kopie einer innovativen Politikinitiative, sondern um das Übertragen von Ideen, die in einem spezifischen regionalen Kontext entstanden sind, in einen anderen regionalen Kontext mit charakteristischen sozialen und politischen Bedingungen. In diesem Prozess ist eine sorgfältige Beachtung der vielfältigen und sich überschneidenden Skalen der Politikgestaltung erforderlich und ein komplexes Netzwerk von Akteuren involviert. Allerdings beschäftigen sich bisher die meisten Forschungsarbeiten zur Geographie politischen Wissens mit urbanen Politikmaßnahmen.
In Wissenschaft und Praxis besteht allgemeine Einigkeit darüber, dass eine zielgerichtete Politik entscheidend für die Entwicklung von Regionen ist. Speziell für ländliche und periphere Regionen ergeben sich indes grundlegende Problemstellungen aufgrund der verhältnismäßig dünnen Ausstattung mit infrastrukturellen und institutionellen Faktoren sowie den spezifischen Anforderungen an die Versorgung der Bevölkerung. Besonders, was die Förderung von Innovationen betrifft, hat sich der negative Effekt des unreflektierten Kopierens der Modelle aus erfolgreichen Regionen gezeigt. Die Übertragung politischen Wissens der regionalökonomischen Entwicklung von und zu ländlichen Räumen stellt demnach eine spezifische Herausforderung dar und kann ein Ausgangspunkt für tiefgreifende Transformationsprozesse darstellen.

Der Ostseeraum stellt einen spezifischen Kontext für die Erforschung der Policy Mobilities da. Regionale Kooperationen sind schon seit Zeiten der Hanse zwischen den Städten und Ländern des Ostseeraums vorhanden. Heutzutage gibt es etwa 40 panbaltische Organisationen, die verschiedene Regierungsebenen und Politikfelder betreuen, sowie durch die EU gestärkte funktionelle Kooperationen. Zudem wurde in 2009 die Strategie der Europäischen Union (EU) für den Ostseeraum (EUSBSR) durch die Europäische Kommission bestätigt, die gezielt Herausforderungen und Chancen der Makroregion adressiert. Es handelt sich beim Ostseeraum demnach um ein Gebiet, das sich aus heterogenen Ländern zusammensetzt, und gleichzeitig über diverse Governancemechanismen verfügt, die die Mobilität politischen Wissens ermöglichen können. In enger Verknüpfung mit den anderen Teilprojekten werden in diesem Projekt der politische Austausch zu Finanzierungssystemen, innovativen Initiativen in der Gesundheitsversorgung und Ansätzen zur Unterstützung des Unternehmertums in ländlichen Räumen bei der Untersuchung der Mobilität politischen Wissens vertiefend betrachtet.

Ziel dieser Arbeitspakete ist es, Policy Mobilities im Kontext des Ostseeraums zu untersuchen und dabei vor allem die transformative Bedeutung für die Entwicklung ländlicher Regionen herauszustellen. Der Transfer politischen Wissens in ländlichen Räumen wird anhand von Fallbeispielen aus den Bereichen Finanzierungssysteme, Gesundheitsversorgung und Entrepreneurship analysiert, in denen sowohl Barrieren als auch begünstigende Faktoren für die Entwicklung und Diffusion regionalpolitischer Innovationen sowie die Rolle von Akteuren im Ostseeraum betrachtet werden. Die Arbeitspakete leistet einen Beitrag zur weiterführenden Konzeptionierung der Policy Mobilities im ruralen Kontext und der informierten Ausgestaltung regionalentwicklungspolitischer Arbeit.

UNTER AP 3