Geschichtskonstruktionen und Erinnerungspolitik
Dieser Teilbereich konzentriert sich auf populistische Akteur*innen, die bestimmte historische Ereignisse auswählen, neu interpretieren, verfremden und damit hegemoniale Auffassungen von Vergangenheit in Frage stellen. Die spezifische Sprache des neuen Nationalismus entfaltet ihre Überzeugungskraft in sauber konstruierten Narrativen, in die bekannte historische Ereignisse vorsätzlich als verfremdete Referenzpunkte eingebettet werden, um der dystopischen Perspektive auf den Status quo zu dienen sowie eine utopische Perspektive auf zukünftige Gesellschaftskonstruktionen zu bieten. Beispiele sind Personen und Ereignisse, die positive Konnotationen im kulturellen Gedächtnis liberaler/demokratischer Geschichtskonstruktionen und Gesellschaften haben, und dafür genutzt werden anti-liberales und anti-demokratisches Denken zu überdecken. In einer weiteren Variante neu-nationalistischer Geschichtspolitik werden Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis bisher kaum eine Rolle spielten, prominent diskutiert, um daran eine gemeinsame europäische, christliche Identität zu konstruieren. Hier spielen vor allem mittelalterliche und frühneuzeitliche Ereignisse eine Rolle, anhand derer der Islam als überzeitlicher Gegner des Abendlandes dargestellt werden soll: die Schlacht von Tours und Poitiers etwa, die nur recht mühsam als zentrale Referenzpunkte für die historische Identität skandinavischer und osteuropäischer Länder konstruiert werden können. Das Forschungsprojekt wird die verschiedenen Denkansätze zwischen den Re-interpretationen von positiven und negativen Referenzpunkten in den Narrativkonstruktionen der neuen nationalistischen Parteien zeigen und wird damit Konflikte und Widersprüche aufdecken, innerhalb und durch alle rechten Bewegungen in der Ostseeregion hindurch. Die Forschungsergebnisse werden es uns ermöglichen, eine interne Differenzierung dieser Parteien aufgrund ihrer historischen Visionen zu formulieren.