Kickoff Workshop – Nachhaltigkeit im Ostseeraum
Lösungsorientierte Zugänge zu Nachhaltigkeitsfragen bieten Möglichkeiten innovative Ansätze zu deren Erforschung zu entwickeln und bestimmten die Diskussionen auf dem Kickoff-Workshop des IFZO Clusters Nachhaltigkeit am 7. Juni 2019 im Konzilsaal der Universität Greifswald. Damit fügen sich die Überlegungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus und über den Ostseeraum hinaus in die Forderungen und Ideen aktueller Klimaschutzbündnisse und Jugendbewegungen, deren sowohl pragmatische als auch visionäre Programme Teil zukünftiger Clusterforschungen werden. In vier Sektionen diskutierten die beteiligten Wissenschaftler*innen aktuelle Daten zur Verschmutzung der Ostsee, Projekte zur Minimierung dieser Verschmutzungen und Aufklärung der Ostseegesellschaften sowie die kognitiven Aspekte eines Wandels im Umgang mit den maritimen Ressourcen.
Ines Bartl vom Leibnitz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde erläuterte in ihrem Vortrag den gegenwärtigen Stand der Stickstoffeinlassungen in die Ostsee, deren Ursprung und Auswirkungen auf das Ökosystem. Eine Analyse des Stickstoffzuflusses anhand des Stickstoffkreislaufs und beispielsweise der natürlichen Recyclingprozesse zeigt zunächst, dass im Zeitraum von 1995 bis 2016 die Konzentrationen an Stickstoff kontinuierlich abnehmen, mit über 775 kt p. a. nach wie vor zu hoch sind. Im Küstenbereich entstammen die Stickstoffquellen insbesondere der Landwirtschaft, deren Emissionen über die Flüsse in die Ostsee fließen. Auch die direkte Zuleitung aus Kläranlagen ist eine wichtige Quelle. Eine Folge ist die Eutrophierung der Ostseegewässer und eine Verringerung des Sauerstoffgehalts, was verheerende Folgen für die Ostsee als Lebensraum für Tiere und Pflanzen hat. Der Klimawandel hat mit seinen erhöhten Temperaturen einen zusätzlich negativen Effekt auf die anthropogene Erhöhung des Nährstoffeintrags. Ziel muss es sein, den Stickstoffeintrag zu verringern, damit eine erfolgreiche Erholung der Gewässer möglich wird. Nachhaltiger wäre beispielweise ein Recycling des Stickstoffs bereits an Land. Hierfür müsste aber auch die Wahrnehmung für dieses Problem im gesamten Ostseeraum erhöht werden.
Dmitry Frank-Kamenetsky, Sekretär der HELCOM in Helsinki erklärte die gemeinsame politische Arbeit der Ostseeanrainer im Kampf gegen die Schädigung der Ostsee. Die HELCOM institutionalisiert die Zusammenarbeit im Bereich des Ostseeumweltschutzes von 9 Küstenstaaten und der EU und entwickelt in den Verhandlungen Empfehlungen für Minister und Regierungen. Gleichzeitig wurde ein Baltic Sea Action Plan für den Zeitraum 2007-2021 entwickelt, der die Eutrophierung, den Zufluss von Giftstoffen, die Erhaltung der Biodiversität und marine Aktivitäten kontrollieren soll. Beispielsweise werden Empfehlungen für die Landwirtschaft entwickelt, die den Nährstoffzufluss verringern und das Abwassermanagement grenzüberschreitend verbessern. Das gleich gilt für Giftstoffe und deren Gefahren beispielweise für Konsumenten von Fisch und anderen Meeresressourcen. Die Anfänge von HELCOM gehen bis in das Jahr 1972 zurück und die gemeinsamen Anstrengungen der Ostseeanrainer zeigen in ausgewählten Bereichen bereits positive Effekte. Neue Probleme wie die Verschmutzung durch Medikamente erfordern aber eine stetige Anpassung der Verhandlungen und Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Ostsee.
Monika Piotrowska-Szypryt aus Danzig hat eine öffentlichkeitswirksame Interreg-Initiative zur Aufklärung breiterer Bevölkerungsschichten im richtigen und falschen Umgang mit giftigen Substanzen mit direktem Einfluss auf die Verschmutzung der Ostsee im Raum Danzig vorgestellt. Im Rahmen des Projektes NonHazCity hat Danzig sich mit „Gdansk – acting on DETOX, unlimited“ an dem Projekt beteiligt und mit einer durchdachten PR und Aktionskampagne Familien und Einwohner aus den verschiedensten Stadtteilen Danzigs dafür gewonnen, sich beispielsweise über den Gebrauch von Plastikspielzeig, Waschmittel und Baumaterial sowie den versteckten Gefahren in Verpackungsmaterial bewusst zu werden. In kleineren Studien mittels Staub und Urinanalysen wurden die Beteiligten direkt mit Schadstoffbelastungen und deren Reduktion mittels eines halben Jahres konfrontiert. Mediale Aufmerksamkeit und Arbeit in den Schulen haben den Ergebnissen eine größere Wirkungsmacht gegeben und so auch eine Dissemination von Erkenntnissen der Forschung in breitere Bevölkerungsschichten ermöglicht.
Wendelin Wichtmann vom Moorzentrum in Greifswald hat die Bedeutung der Moorlandschaften und die Gefahren für die Ostsee durch deren Verlust anschaulich vorgestellt und dabei auch praktische Lösungsansätze in ersten und zukünftigen Pilotprojekten erläutert. Das Moorzentrum ist eine Kooperation der Universität Greifswald, der Michael-Succow-Stiftung und des Vereins DUENE e.V. und fokussiert seine Forschungs- und Bildungsarbeit auf die Bedeutung der Moore im Klimaschutz, der Reduzierung von Treibhausgasen, für die Biodiversität und eine nachhaltige Wirtschaft. Die Trockenlegung der Moore führte zu einem Verlust fruchtbarer Nutzflächen, der Freisetzung von Treibhausgasen, dem erhöhten Nährstoffeintrag in Flüsse und den erhöhten Gefahren von Moorfeuern. Zudem ging eine wichtige Funktion der Moore als „Nieren der Landschaft“ verloren. Die gesellschaftlichen Kosten der Moorentwässerung und anderweitigen landwirtschaftlichen Nutzung durch Tieraufzucht und Milchproduktion belaufen sich auf mehrere hundert Euro je Hektar und Jahr und übersteigen damit zu einem großen Teil die erzielten Gewinne. Ein Lösungsansatz der Forscher des Moorzentrums liegt in der Paludikultur. Die Renaturierung der Moore und ihrer natürlichen Wasserressourcen würde nicht nur die beschriebenen Nährstoffeintragsprobleme und die Freisetzung von Treibhausgasen verringern, sondern auch neue nachhaltigere Wirtschaftsformen in der Region an der Ostsee ermöglichen. Hierzu gehören unter anderem der Anbau von Paludinutzpflanzen für die Nahrungsmittelherstellung und auch der Anbau von Reet für die Herstellung von Baumaterialien und natürlichen Rohstoffen für die Energiegewinnung.
… wird fortgesetzt …
Alexander Drost